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Im Visier der Wettbewerbsbehörden – wie verhalten sich Unternehmen richtig?
Entgegen der Annahme, dass kartellrechtliche Bestimmungen bloss für grosse Konzerne und multinationale Unternehmen Anwendung finden, gilt das Kartellgesetz für sämtliche Wettbewerbsteilnehmer, die sich an Kartell- oder an anderen Wettbewerbsabreden beteiligen. Sodann muss den einzelnen Markteilnehmern, insbesondere den Klein- und Mittelbetrieben («KMU») bewusst sein, dass die schweizerische Wettbewerbskommission («WEKO») als Aufsichtsbehörde regelmässig nicht nur aus eigener Initiative, sondern aufgrund von Hinweisen aus dem Markt tätig wird. Dabei kommen aus Sicht Unternehmen sowohl bestehende oder ehemalige Vertragspartner wie auch Mitarbeitende als potenzielle Whistleblower in Frage. Meldungen an die WEKO, welche ein kartellrechtliches Verfahren auslösen können, sind grundsätzlich nicht mit einem grossen Aufwand verbunden. Sie können formlos via E-Mail, Telefon oder Kontaktformular erfolgen und sind kostenlos und anonym.
Angesichts der empfindlichen Sanktionen für Kartellrechtsverstösse, die sich auf bis zu 10% des in der Schweiz erzielten Umsatzes der letzten drei Geschäftsjahre belaufen können, lohnt es sich deshalb auch für KMU’s, ihre Verhaltensweisen sowie jene ihrer Mitarbeitenden im Hinblick auf die kartellrechtliche Compliance zu analysieren und bei Bedarf anzupassen.
Stossen Unternehmen bei der Analyse ihrer Verhaltensweisen auf mögliche Kartellrechtsverstösse, ist bei der Prüfung des weiteren Vorgehens stets auch die Option einer Selbstanzeige miteinzubeziehen.
Wie können Kartellrechtsrisiken innerhalb eines Unternehmens reduziert werden?
Typischerweise finden sich kartellrechtlich relevante Sachverhalte oft in Vertriebs-, Franchise-, Lizenz-, Kooperations-, Joint Venture- oder in anderen, die Zusammenarbeit von zwei oder mehreren Unternehmen betreffenden Verträgen. Dabei sind insbesondere solche Klauseln aus kartellrechtlicher Sicht problematisch, die im Kern eine Festsetzung von Preisen oder Mengen oder eine Zuteilung von Märkten bezwecken. Aus diesem Grund ist insbesondere bei den vorgenannten Vertragstypen empfehlenswert, die Vertragsentwürfe von einem Experten ausarbeiten und periodisch auf kartellrechtliche Risiken prüfen zu lassen.
Zusätzlich sollten von Zeit zu Zeit Schulungen, insbesondere mit den Führungskräften und den Aussendienst- bzw. Verkaufsmitarbeitenden durchgeführt werden, um diese auf kartellrechtliche Sachverhalte im Tagesgeschäft zu sensibilisieren. Schliesslich können Checklisten eine wichtige Hilfestellung sein, um potenziell kartellrechtswidrige Verhaltensweisen im unternehmerischen Alltag zu unterbinden.
Worauf muss ein Unternehmen bei Auskunftsbegehren der WEKO achten?
Im Rahmen der Marktbeobachtung nach Art. 45 des Kartellgesetzes (KG) ist es üblich, dass die WEKO das Unternehmen direkt mit den Hinweisen aus dem Markt konfrontiert und in diesem Zusammenhang zwecks Klärung des Sachverhaltes das Unternehmen auffordert, einen Fragenkatalog zu beantworten. Das betroffene Unternehmen unterliegt grundsätzlich keiner Auskunftspflicht, weshalb die WEKO im Rahmen der Marktbeobachtung auf dessen freiwillige Mitwirkung angewiesen ist. Es steht der WEKO aber frei, bei einer Verweigerung der Auskunft eine Vorabklärung nach Art. 26 KG zu eröffnen.
Im Gegensatz zur Marktbeobachtung untersteht das betroffene Unternehmen bei der Vorabklärung nach Art. 26 KG einer Auskunftspflicht. Das Unternehmen könnte somit unter Androhung einer Sanktion verpflichtet werden, bei der Erstellung des Sachverhaltes mitzuwirken. Schliesslich besteht die Möglichkeit, dass der Schlussbericht der Vorabklärung durch die WEKO publiziert wird.
Je nach Verfahrensstadium ergeben sich somit weitreichendere Pflichten für das betroffene Unternehmen. Aus diesem Grund hat das betroffene Unternehmen in einem ersten Schritt festzustellen, in welchem Verfahrensstadium es sich befindet, bevor es ein Auskunftsbegehren der WEKO beantwortet. Unabhängig davon, ob eine Auskunftspflicht besteht oder nicht, kann es sich für Unternehmen im Sinne einer Deeskalation des Verfahrens empfehlen, bei der Erstellung des Sachverhaltes kooperativ zu sein und aktiv mitzuwirken.
Welches Verhalten empfiehlt sich während der Vornahme einer Hausdurchsuchung durch die WEKO?
Im Rahmen der Ermittlung eines kartellrechtlich relevanten Sachverhalts kann die WEKO insbesondere Hausdurchsuchungen durchführen und Beweismittel beschlagnahmen. In den wenigsten Unternehmen gehören Hausdurchsuchungen zum Alltagsgeschäft. Dementsprechend lassen sich die richtigen Verhaltensweisen nur im beschränkten Rahmen für den Ernstfall üben. Abhilfe können Checklisten schaffen, die den involvierten Personen (Empfangspersonal, Führung, etc.) einen Überblick über den Ablauf sowie über ihre Rechte und Pflichten geben. Generell sollte bei einer Hausdurchsuchung Folgendes beachtet werden:
- Dokumente dürfen weder zerstört noch vor den Behörden versteckt werden (strafbar nach Art. 286 des Strafgesetzbuches, StGB);
- Die Hausdurchsuchung darf nicht behindert werden (strafbar nach Art. 286 StGB);
- während der Hausdurchsuchung sollten weder Kommentare zum Gegenstand der Untersuchung noch Erklärungen oder Bestreitungen gegenüber den Behörden gemacht werden;
- Die Hausdurchsuchung ist umfassend zu protokollieren, insbesondere welche Fragen gestellt, Räume durchsucht, Unterlagen geprüft und Dokumente beschlagnahmt wurden;
- Die Führungskräfte haben bei Unterlagen, die nicht beschlagnahmt werden sollen, einen Antrag auf Siegelung zu stellen. Diese Unterlagen werden danach versiegelt und verwahrt und es entscheidet die Beschwerdekammer des Bundesstrafgerichts über die Zulässigkeit der Durchsuchung. Die Siegelung dient dazu, Dokumente vor Durchsuchung zu schützen, für die ein Durchsuchungs- und Beschlagnahmeverbot besteht. Ein solches kann bestehen, wenn Aussage- oder Zeugnisverweigerungsrechte oder andere Gründe einer Beschlagnahme entgegenstehen. Dies betrifft insbesondere die Anwaltskorrespondenz oder Unterlagen, welche Fabrikations- und Geschäftsgeheimnisse enthalten.
Wann ist eine Selbstanzeige bei der WEKO sinnvoll?
Für einen vollständigen Sanktionserlass muss das Unternehmen entweder Informationen liefern können, die eine kartellrechtliche Untersuchung ermöglichen; oder falls eine solche bereits eröffnet wurde, der WEKO als Erstes Beweismittel für die Feststellung des Wettbewerbsverstosses liefern.
Angesichts der hohen Kartellrechtsbussen ist der vollständige Sanktionserlass aus vielerlei Hinsicht verlockend. Ob ein Unternehmen letztendlich in den Genuss des vollständigen Sanktionserlasses kommt, hängt aber zu einem wesentlichen Teil davon ab, welche Erkenntnisse der WEKO bereits vorliegen und wie sich die anderen, von derselben Kartellrechtsuntersuchung betroffenen Akteure verhalten.
PETERER Rechtsanwälte Notare AG unterstützt Sie bei der Ausarbeitung von kartellrechtskonformen Verträgen, erstellt für Sie interne Richtlinien und Checklisten, um die Einhaltung kartell- und wettbewerbsrechtlicher Bestimmungen zu gewährleisten und berät und vertritt Sie in kartellrechtlichen Verfahren vor den Wettbewerbsbehörden und Gerichten.
© PETERER Rechtsanwälte Notare AG, Dezember 2023