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Rückerstattungspflicht der Erben gemäss Ergänzungsleistungsgesetz

Rückerstattungspflicht der Erben für die vom Erblasser bezogenen Ergänzungsleistungen

Am 1. Januar 2021 ist die Revision des Bundesgesetzes über Ergänzungsleistungen zur Alters-, Hinterlassenen- und Invalidenversicherung (nachfolgend «ELG) in Kraft getreten. Dies insbesondere mit dem Ziel, aufgrund der gestiegenen Kosten der Ergänzungsleistungen, die Verwendung der Eigenmittel für die Altersvorsorge zu verbessern. Die Verbesserung der Verwendung der Eigenmittel soll insbesondere durch eine verstärkte Berücksichtigung von vorhandenem Vermögen erreicht werden. Dazu wurde im Rahmen der Revision u.a. eine Rückerstattungspflicht der Erben für die vom Erblasser bezogenen Ergänzungsleistungen eingeführt. Mit dieser Rückerstattungspflicht hat das ELG Auswirkungen auf die Nachlassplanung sowie die Nachlassabwicklung, wie nachfolgend gezeigt wird.

Was hat sich mit der Revision geändert?
Zwar war bereits vor der Revision das Vermögen der Erben bzw. der Nachlass indirekt durch das ELG potenziell betroffen, wenn der Erblasser zu Lebzeiten freiwillig auf Vermögen verzichtet hat. Bspw. indem die Vermögenswerte ohne Rechtspflicht (z.B. im Rahmen einer Schenkung) übertragen oder ohne gleichwertige Gegenleistung veräussert wurden (bspw. bei einer Veräusserung eines Vermögenswertes unter dem Verkehrswert) und Ergänzungsleistungen bezogen worden sind. Mit dem neu geschaffenen Art. 16a Abs. 1 ELG sieht das Gesetz vor, dass die nach ELG rechtmässig bezogenen Leistungen nach dem Tod des Bezügers aus dessen Nachlass zurückzuerstatten sind. Es besteht jedoch nur eine Rückerstattungspflicht auf demjenigen Teil des Nachlasses, welcher den Betrag von CHF 40’000.00 übersteigt. Die Rückerstattungspflicht bezieht sich dabei auf alle Ergänzungsleistungen, welche der Erblasser zu Lebzeiten bezogen, hat, sowie auf Beiträge für die obligatorische Krankenversicherung und die vergüteten Krankheits- und Behinderungskosten.

Wie hoch ist die Rückerstattungspflicht der Erben?
Grundsätzlich sind die gesamten Leistungen zurückzuerstatten. Für die Festlegung der Höhe der Rückerstattungspflicht wird auf den Netto-Nachlass (Brutto-Nachlass abzüglich der Schulden des Erblassers) zum Todeszeitpunkt der leistungsbeziehenden Person abgestellt. Für die Bewertung des Nachlasses werden die Grundsätze der Gesetzgebung über die direkte kantonale Steuer für die Bewertung des Vermögens zu Lebzeiten im Wohnsitzkanton der EL-beziehenden Person angewendet. Selbstbewohnte Liegenschaften des Bezügers werden zum Verkehrswert miteinbezogen. Aus dieser Netto-Betrachtung folgt jedoch, dass die Kosten, die erst nach dem Tod des Bezügers entstehen, wie bspw. die Todesfall- und Erbgangskosten, unberücksichtigt bleiben – mit der Folge, dass diese nach der Begleichung der Rückforderung der Ergänzungsleistungen bezahlt werden «dürfen» und so ggf. Liegenschaften veräussert werden oder die Erben die Schulden aus eigener Tasche bezahlen müssen. In der Folge kann, je nach Konstellation, der Nachlass mit erheblichen Rückforderungen der Ausgleichskassen belastet sein.

Die Rückerstattungspflicht der Erben gegenüber den Ausgleichskassen wird gemäss Gesetz als «spezielle» Erbgangsschuld qualifiziert und stellt eine Schuld aller Erben dar, welche im Zusammenhang mit dem Tod des Erblassers steht, wobei die Erben solidarisch für die Rückerstattung der Leistungen haften– jeder Erbe kann einzeln in Anspruch genommen werden. Die Rückerstattungspflicht beschränkt sich jedoch auf den Nachlass, das Privatvermögen der Erben ist von der Rückerstattung ausgeschlossen.

Nach Eintritt der Rechtskraft der Rückforderungsverfügung der jeweiligen Ausgleichskasse bleiben den Erben drei Monate zur Rückerstattung der verfügten Rückforderung. Muss dafür eine Liegenschaft verkauft werden, wird die Frist auf ein Jahr, aber maximal auf 30 Tage nach der Eigentumsübertragung erstreckt.

Da eine absolute Verwirkungsfrist von 10 Jahren (Art. 16b ELG) besteht, können maximal die Ergänzungsleistungen der letzten zehn Jahre zurückgefordert werden.

Wer ist von der Rückerstattungspflicht betroffen?

Betroffen sein können insbesondere Nachlässe von Erblassern, die einer selbstständigen Erwerbstätigkeit nachgegangen sind, oder die kostenintensive Pflegeleistungen in Anspruch genommen haben und welche Eigenheime besitzen und potenziell Ergänzungsleistungen in Anspruch nehmen müssen.

Handelt es sich beim Erblasser bzw. Erblasserin um eine verheiratete Person und lebt dessen Ehegatte noch, so entsteht die Rückerstattungspflicht gemäss Art. 16a Abs. 2 ELG erst aus dem Nachlass des zweitverstorbenen Ehegatten. Diese Bestimmung kann insbesondere bei sogenannten Patchworkfamilien zu ungünstigen erbrechtlichen Konstellationen führen. Haben die Ehegatten keine gemeinsamen, aber beide Ehegatten jeweils aus einer früheren Beziehung Nachkommen, müssten nämlich – aufgrund der Formulierung des Gesetzes – die Nachkommen des zweitverstorbenen Ehegatten die Rückforderung der vom erstverstorbenen Ehegatten bezogenen Ergänzungsleistungen tragen, obwohl sie nicht dessen gesetzliche Erben sind. Der Ehegatte erbt die Rückforderungspflicht nicht, jedoch haftet dessen Nachlass für die Rückforderung von Gesetzes wegen. Dies kann grundsätzlich auch nicht durch eine Ausschlagung des Erbes vom überlebenden Ehegatten verhindert werden. Eine Ausschlagung würde aber gegebenenfalls bewirken, dass der Nachlass des zweitversterbenden Ehegatten kleiner als CHF 40’000.00 ist und damit die Rückerstattungspflicht gar nicht erst greift.

Worauf sollten Sie achten, um eine Rückerstattungspflicht nach Art. 16a ELG möglichst vermeiden zu können?
Während es dem Erblasser zu Lebzeiten grundsätzlich freisteht, wie das Vermögen verbraucht wird, können gewisse nachlassplanerische Instrumente (wie bspw. die Verfügung über lebzeitige herabsetzbare oder ausgleichungspflichtige Zuwendungen) bei allfälligem späterem Ergänzungsleistungsbezug als ein Verzicht auf Vermögen angerechnet werden (Art. 11a ELG). So kann bspw. durch lebzeitige Zuwendungen der spätere Nachlass zwar gemindert und unter die Schwelle von CHF 40’000.00 gesenkt werden, sodass Art. 16a Abs. 1 ELG gar nicht erst greift. Jedoch werden lebzeitige Zuwendungen des zukünftigen Erblassers bei Leistungsbezug vor dem Tod u. U. im Rahmen des Vermögensverzichts angerechnet und können den Anspruch auf Ergänzungsleistungen schmälern.

Eine Schmälerung des Nachlasses bzw. eine Vermeidung einer möglichen Rückerstattungspflicht, kann bspw. auch durch den Verkauf von Liegenschaften an die Nachkommen zu Lebzeiten herbeigeführt werden, wobei jedoch hinsichtlich der Höhe des Verkaufspreises ein möglicher Vermögensverzicht berücksichtigt werden muss. Möchten die Eltern nach wie vor in der Liegenschaft wohnen bleiben, kann für die Eltern eine Nutzniessung oder ein Wohnrecht auf der Liegenschaft errichtet werden. Die Gegenleistung der Nachkommen für die Liegenschaft kann bspw. auch aus der Übernahme der Hypothekarschuld und dem kapitalisierten Jahreswert der Nutzniessung bestehen. Hier gilt, je früher die Nutzniessung eingeräumt wird, desto jünger sind die Eltern und desto höher ist der Barwert der Nutzniessung. Ferner wird bei früherer Einräumung der Nutzniessung der Vermögensverzicht jährlich um CHF 10’000.00 vermindert (Art. 17e ELV).

Bei der Anordnung einer Vor- und Nacherbschaft zwischen den Ehegatten wird das Vermögen, welches im Rahmen der Vorerbschaft anfällt, weder bei der Vermögensschwelle betreffend Anspruch auf Ergänzungsleistungen noch im Rahmen des Vermögensverzehrs berücksichtigt. Die Erben beerben den ursprünglichen bzw. «1. Erblasser», und damit besteht, grundsätzlich keine Rückerstattungspflicht. Gegen die Anordnung einer Vor- und Nacherbschaft spricht jedoch der Aufwand, welcher hinsichtlich Inventarisierung und Verwaltung anfällt. Ferner darf eine Vorerbschaft nur in beschränktem Rahmen genutzt und verbraucht werden, da eine Auslieferungspflicht gegenüber den Nacherben besteht.

PETERER Rechtsanwälte Notare AG berät Sie umfassend in erbrechtlichen Angelegenheiten und unterstützt Sie bei der Evaluierung einer möglichen Rückerstattungspflicht Ihrer Erben und der Umsetzung einer für Sie passenden testamentarischen oder erbvertraglichen Regelung.

© PETERER Rechtsanwälte Notare AG, Dezember 2024