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Pattsituationen bei Aktionär- oder Gesellschafterbindungsverträgen

Aktionär- oder Gesellschafterbindungsverträge ermöglichen es den Anteilsinhabern einer Aktiengesellschaft (AG) oder einer Gesellschaft mit beschränkter Haftung (GmbH), die gesellschaftsrechtlichen Bestimmungen zu ergänzen und ihre Rechte und Pflichten über die Statuten der Gesellschaft hinaus zu regeln.

Stehen sich im Rahmen einer Entscheidungssituation zwei gleichberechtigte Parteien eines Aktionär- oder Gesellschafterbindungsvertrages gegenüber, kann es bei Uneinigkeit zu Pattsituationen kommen. Das vorhandene Stimmengleichgewicht zwischen den Parteien verhindert es in einem solchen Fall, dass sich eine der beiden Parteien durchsetzen kann. In der Folge kann keine Entscheidung getroffen werden und es entsteht eine sogenannte Pattsituation.

Wie kann es zu Pattsituationen kommen?

Zu Pattsituationen kann es insbesondere kommen, wenn sich zwei Anteilsinhaber oder zwei Inhabergruppen mit paritätischen Stimmrechten gegenüberstehen, weil sie jeweils 50 Prozent der Anteile an der Gesellschaft resp. jeweils gleich viele Stimmrechte halten. Pattsituationen sind daher oft eine Folge des Bedürfnisses, zwei Parteien gleich zu berechtigten und einander vollständig gleich zu stellen. Damit sind zwar die Interessen beider Parteien absolut geschützt, jedoch unterwerfen sich die Gesellschaften resp. die Parteien auf diese Weise faktisch einem Einstimmigkeitsprinzip, da es bei Stimmengleichheit zu keiner Entscheidung kommen kann. Solche Pattsituationen können sich im Verwaltungsrat, in der Geschäftsführung aber auch in der General- bzw. Gesellschafterversammlung ergeben.

Welche Auswirkungen können Pattsituationen auf die Gesellschaft haben?

Kann eine Pattsituation nicht einvernehmlich beseitigt werden, führt dies in einer Gesellschaft zu einem fundamentalen Führungs- und Entscheidungsproblem.

Beim Vorliegen einer Stimmengleichheit in einer ansonsten beschlussfähigen Versammlung führt das Vorliegen einer Pattsituation aufgrund der Stimmenparität nicht zu einer Beschlussunfähigkeit, sondern nur zu einer Ablehnung des jeweiligen Antrages. Im Resultat führt dies dazu, dass der Status quo beibehalten wird. Oft führt jedoch gerade die Unfähigkeit zur Fassung eines zustimmenden Beschlusses zu einer Blockade zwischen den involvierten Parteien.

Diese Blockade kann sich auf sämtliche Organe der Gesellschaft ausdehnen und so zu deren tatsächlichen Beschlussunfähigkeit bzw. deren Entscheidungsstillstand führen. Dies deshalb, weil unter Umständen die für den normalen Geschäftsverlauf notwendigen Entscheidungen nicht mehr getroffen werden können. Geht die Pattsituation soweit, dass die Neu- oder Wiederwahl von Organen der Gesellschaft nicht mehr möglich ist, kann dies zu einem Organisationsmangel führen. Dieser wäre in letzter Konsequenz durch einen Gerichtsentscheid zu beheben.

Wie ist vorzugehen, um Pattsituationen vorzubeugen?

Es gibt unterschiedliche Möglichkeiten, um Pattsituationen vorzubeugen.

Zum einen sind dies gesellschaftsrechtliche Möglichkeiten insbesondere im Rahmen der Aufsetzung der Gesellschaftsstatuten sowie eines Organisationsreglements, wie z.B. die Schaffung unterschiedlicher Aktienkategorien oder Stimmrechte, die Einführung von bestimmten Präsenz- und Beschlussquoren oder Stichentscheiden. Während z. B. Art. 713 des Schweizerischen Obligationenrechts (OR) für den Verwaltungsrat der AG, Art. 809 Abs. 4 OR für die Geschäftsführung der GmbH sowie Art. 808a OR für die Gesellschafterversammlung der GmbH bei der Beschlussfassung dem Vorsitzenden den Stichentscheid zusprechen und damit bei Fehlen einer anderslautenden statutarischen Bestimmung einer allfälligen Pattsituation in diesen Organen schon vorgreifen, fehlt eine solche Bestimmung z.B. für die Generalversammlung der AG. Somit braucht es insbesondere für einen Stichentscheid in der Generalversammlung der AG eine statutarische Grundlage.

Neben den gesellschaftsrechtlichen Möglichkeiten kann zudem auf vertragsrechtliche Gestaltungsmöglichkeiten in Aktionär- oder Gesellschafterbindungsverträgen zurückgegriffen werden. Entsprechende Vertragsklauseln können das Entstehen von Pattsituationen bereits vorab verhindern oder entsprechende Lösungsmechanismen festlegen. Dies kann Entscheidungsfindungen erleichtern bzw. unter Umständen auch ultimativ ermöglichen.

Zudem ist es in einem Aktionär- oder Gesellschafterbindungsvertrag möglich, Regelungen vorzusehen, welche über die gesellschaftsrechtlichen bzw. statutarischen Bestimmungen hinausgehen. Der gesellschaftsrechtlich vorgesehene Stichentscheid bei Pattsituationen kann vertraglich z.B. auch auf andere, nicht direkt involvierte Personen übertragen werden. So zum Beispiel auf neutrale Dritte, auf Sachverständige oder auf eine von den Parteien zu bestimmende Schiedsperson.

Anstatt einen Stichentscheid vorzusehen, kann im Aktionär- oder Gesellschafterbindungsvertrag auch geregelt werden, dass die Stimme einer Person doppelt zu zählen ist. Ferner können Entscheide durch das Los aufgelöst werden. Letzteres kommt jedoch einem Zufallsentscheid gleich. Gerade diese kann die Parteien jedoch dazu bewegen, die Pattsituation vor einer Losziehung zu lösen und sich auf einen Entscheid zu einigen.

Als Ultima Ratio im Falle von unauflösbaren Pattsituationen können sodann Verkaufs- oder Kaufrechte an den Gesellschaftsanteilen vorgesehen werden. Die Möglichkeit der Ausübung solcher Verkaufs- oder Kaufrechte kann generell oder nur bei Vorliegen bestimmter Voraussetzungen gegeben sein. So kann eine Partei im Falle einer andauernden Pattsituation verpflichtet werden, ihre Gesellschaftsanteile der anderen Partei zu einem bestimmten Preis anzubieten. Die andere Partei wird dann vor die Wahl gestellt, das Angebot anzunehmen oder die eigenen Anteile zu diesem Preis an die erstanbietende Partei zu verkaufen und damit aus der Gesellschaft auszuscheiden.

Neben der Einräumung von Verkaufs- oder Kaufrechten sind weitere vertragsrechtliche Massnahmen wie z.B. Bestimmungen zum Stimmverhalten der Parteien in der General- bzw. Gesellschafterversammlung denkbar.

Die Festlegung von Lösungsmechanismen zur Verhinderung von Pattsituationen sollte im Rahmen der gesellschafts- und vertragsrechtlichen Möglichkeiten sowie unter Berücksichtigung der Bedürfnisse der im Einzelfall involvierten Parteien erfolgen. Entscheidend ist in jedem Fall die Einführung solcher Lösungsmechanismen, so lange die Parteien in gutem Einvernehmen sind. Dadurch können im Hinblick auf allenfalls drohende Pattsituationen bereits im Voraus klare Verhältnisse geschaffen werden.

PETERER Rechtsanwälte Notare AG unterstützt und berät Sie kompetent bei der Ausarbeitung von gesellschafts- und vertragsrechtlichen Möglichkeiten zur Verhinderung von Pattsituationen im unternehmerischen Kontext.

© PETERER Rechtsanwälte Notare AG, September 2020