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Neue Sorgfalts- und Transparenzpflichten für Unternehmen als Folge der Corporate Social Responsibility

«Environmental, Social and Governance» oder kurz «ESG» ist derzeit ein den gesellschaftlichen und wirtschaftlichen Diskurs bestimmendes Thema, welches die Unternehmenswelt nicht nur in der Schweiz beschäftigt. Die «Corporate Social Responsibility», also die soziale Verantwortung von Unternehmen, hat als Teil des ESG-Trends auch in der Schweizer Gesetzgebung ihren Niederschlag gefunden. Die Ablehnung der Volksinitiative «Für verantwortungsvolle Unternehmen – zum Schutz von Mensch und Umwelt», besser bekannt unter dem Begriff «Konzernverantwortungsinitative», hat den Weg freigemacht für den indirekten Gegenvorschlag, welcher erweiterte Sorgfalts- und Transparenzpflichten unter anderem im Zusammenhang mit Konfliktmineralien in das Schweizerische Obligationenrecht (Art. 964j – 964l OR) einführt.

Wer ist von den neuen Sorgfalts- und Transparenzpflichten im Zusammenhang mit Konfliktmineralien betroffen?

Von den Sorgfalts- und Transparenzpflichten sind Schweizer Unternehmen betroffen, sofern sie Zinn, Tantal, Wolfram oder Gold enthaltende Mineralien oder Metalle aus Konflikt- oder Hochrisikogebieten in den freien Verkehr der Schweiz überführen oder in der Schweiz bearbeiten. Als Konflikt- oder Hochrisikogebiete gelten dabei Gebiete, in denen bewaffnete Konflikte geführt werden oder die sich nach Konflikten in einer fragilen Situation befinden, sowie Gebiete, in denen die Staatsführung und die Sicherheit schwach oder nicht vorhanden sind.

Ausnahmen von den neuen Sorgfalts- und Transparenzpflichten

Die Sorgfalts- und Transparenzpflichten im Zusammenhang mit Konfliktmineralien enthalten – anders als im Zusammenhang mit Kinderarbeit – keine Ausnahme für KMU. Somit ist die Unternehmensgrösse nicht entscheidend, ob diese Pflichten eingehalten werden müssen oder nicht. Hingegen enthalten die Ausführungsbestimmungen in der Verordnung über Sorgfaltspflichten und Transparenz bezüglich Mineralien und Metallen aus Konfliktgebieten und Kinderarbeit («VSoTr») für den Fall der Konfliktmineralien gewisse Ausnahmen in Form von Schwellenwerten. Sofern diese vom Bundesrat festgelegten jährlichen Einfuhr- und Bearbeitungsmengen nicht überschritten werden, unterliegt ein Unternehmen nicht den Sorgfalts- und Transparenzpflichten. Dabei gilt es zu beachten, dass eine Konzernsicht angewandt wird – die Schwellenwerte gelten für die gesamte Unternehmensgruppe, und nicht für jede einzelne Gruppengesellschaft.

Neben den Ausnahmen gestützt auf die Schwellenwerte ist ein Unternehmen ebenfalls von den Sorgfalts- und Transparenzpflichten nach dem OR und der VSoTr befreit, wenn es sich an ein international anerkanntes Regelwerk, wie den OECD-Leitfaden für Konfliktmineralien oder die EU-Konfliktmineralien-Verordnung (Verordnung (EU) 2017/821), hält. Darüber hinaus gibt es gewisse Erleichterungen für Unternehmen, die ausschliesslich rezyklierte Metalle verwenden.

Inhalt der Sorgfaltspflichten

Die gesetzlichen Sorgfaltspflichten verlangen, dass betroffene Unternehmen ein Managementsystem einführen, welches (i) die Lieferkettenpolitik für möglicherweise aus Konflikt- und Hochrisikogebieten stammende Mineralien und Metalle festlegt, sowie (ii) die Rückverfolgbarkeit der Lieferkette gewährleistet. Die Lieferkette wird dabei als Prozess, der die eigene Geschäftstätigkeit und diejenige aller vorgelagerten Wirtschaftsbeteiligten (also der Zulieferer) umfasst, verstanden. Nicht erfasst werden hingegen die nachgelagerten Wirtschaftsbeteiligten, also die Kunden. Die Einhaltung dieser Sorgfaltspflichten ist jährlich von einem Revisionsexperten zu prüfen und dieser hat einen Bericht seiner Prüfung zu Handen des Verwaltungsrats zu verfassen.

Diese generellen Bestimmungen des OR werden durch die VSoTr weiter präzisiert, insbesondere, welche Anforderungen eine Lieferkettenpolitik zu erfüllen hat. So hat das Unternehmen im Rahmen seiner Lieferkettenpolitik (i) sicherzustellen, dass es in seinen Lieferketten die Sorgfaltspflichten einhält, wenn es Konfliktmineralien beschafft, (ii) seinen Lieferanten und der Öffentlichkeit aktuelle Informationen zur Lieferkettenpolitik mitzuteilen und diese in die Verträge mit seinen Lieferanten zu integrieren, sowie (iii) ein Meldeverfahren zu etablieren, damit Bedenken in Bezug auf Konfliktmineralien gemeldet werden können. Dabei hat das Unternehmen die Risiken schädlicher Auswirkungen von Konfliktmineralien in der Lieferkette zu ermitteln und zu bewerten und die angemessenen Massnahmen zur Abwendung oder Minderung solcher Auswirkungen zu treffen und die Ergebnisse dieser Massnahmen auszuwerten und zu kommunizieren. Das Unternehmen hat dabei die Instrumente zu nennen, mit denen es die Risiken möglicher schädlicher Auswirkungen in seiner Lieferkette ermittelt, bewertet, beseitig oder mindert. Exemplarisch nennt die VSoTr die folgenden Instrumente: Kontrollen vor Ort; Auskünfte von Behörden, internationalen Organisationen oder der Gesellschaft; Beizug von Fachleuten oder Fachliteratur; (vertragliche) Zusicherungen von Geschäftspartnern; sowie das Verwenden von anerkannten Standards und Zertifizierungssystemen.

Darüber hinaus hat das Unternehmen ein System zur Rückverfolgbarkeit der Lieferkette festzulegen, welches für die einzelnen aus Konflikt- und Hochrisikogebieten stammenden Mineralien und Metalle, welche das Unternehmen bearbeitet, gewisse Informationen dokumentiert (wie z.B. den Lieferanten, das Ursprungsland, das Abbaudatum).

Inhalt der Transparenzpflichten

Neben den eigentlichen Sorgfaltspflichten sehen die neuen Bestimmungen auch spezifische Transparenzpflichten vor. Diese neuen Transparenzpflichten enthalten konkrete Berichterstattungspflichten im Zusammenhang mit der Erfüllung der Sorgfaltspflichten, welche die Unternehmen erfüllen müssen. Dieser Bericht hat jährlich durch den Verwaltungsrat zu erfolgen und ist in einer Landessprache oder auf Englisch abzufassen. Der Verwaltungsrat muss sicherstellen, dass dieser Bericht innerhalb von sechs Monaten seit Ablauf des Geschäftsjahres elektronisch veröffentlicht wird und während mindestens zehn Jahren öffentlich zugänglich bleibt. Die ersten Berichte müssen im Jahr 2024 für das Geschäftsjahr 2023 veröffentlicht werden.

Was sollten Sie nun tun?

Die neuen gesetzlichen Vorschriften sind am 1. Januar 2022 in Kraft getreten. Gemäss Gesetz finden die neuen Sorgfaltspflicht- und Transparenzbestimmungen erstmals auf das Geschäftsjahr 2023 Anwendung und die Berichterstattung hat erstmals im Jahr 2024 für das Geschäftsjahr 2023 zu erfolgen. Es ist zu erwarten, dass grössere Kunden von ihren Zulieferern gewisse Zusicherungen und vertragliche Anpassungen verlangen werden, um den Nachweis der Einhaltung der gesetzlichen Anforderungen sicherzustellen. Der Verwaltungsrat bzw. die Geschäftsleitung sollte sich frühzeitig mit der konkreten Umsetzung der Sorgfalts- und Transparenzpflichten auseinandersetzen und – sofern das Unternehmen den entsprechenden Bestimmungen unterliegt – die notwendigen Vorkehrungen umsetzen, um das erforderliche Managementsystem in Bezug auf die Lieferkette einzuführen und die notwendige Berichterstattung sicherzustellen.

PETERER Rechtsanwälte Notare AG unterstützt und berät Sie allgemein im Bereich ESG und spezifisch zu den entsprechenden gesetzlichen Sorgfalts- und Transparenzpflichten, und hilft Ihnen, die gesetzlichen Bestimmungen in den internen Regularien («Code of Conducts», Schulungen, etc.) sowie im Geschäftsverkehr und den entsprechenden Vertragswerken mit Ihren Lieferanten («Supplier Code of Conduct») und Kunden umzusetzen.

© PETERER Rechtsanwälte Notare AG, Dezember 2022