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Erbvorbezüge und Schenkungen im Zusammenhang mit der Tragung von Alters- und Pflegeheimkosten
Oft ist es der Wunsch vieler Eltern, ihr Vermögen vor einem teuren Heimaufenthalt zu schützen. Sie überlegen sich somit, ob sie das eigene Vermögen verschenken, Erbvorbezüge gewähren oder Liegenschaften an die Kinder übertragen sollen. Dies, um für den Fall eines Heimaufenthalts nicht den überwiegenden Teil ihres Vermögens für Heim- und Pflegekosten aufbrauchen zu müssen, sondern stattdessen einen Anspruch auf staatliche Ergänzungsleistungen geltend machen zu können. Reichen nämlich die gemäss dem Bundesgesetz über Ergänzungsleistungen zur Alters-, Hinterlassenen- und Invalidenversicherung (ELG) anrechenbaren Einnahmen für die Tragung der Heimkosten nicht aus, besteht ein Anspruch auf Ausrichtung von Ergänzungsleistungen. Grundsätzlich werden dabei nur das effektive Einkommen und Vermögen berücksichtigt. Hierzu gibt es jedoch eine Ausnahme: Haben die Pflegebedürftigen Teile ihres Vermögens verschenkt oder auf Einkünfte verzichtet, werden ihnen diese Schenkungen und Einkünfte trotzdem angerechnet.
Was gilt als freiwilliger Einkommens- und Vermögensverzicht?
Gemäss bundesgerichtlicher Rechtsprechung liegt ein Einkommens- bzw. Vermögensverzicht vor und es erfolgt eine Anrechnung, wenn alternativ ohne rechtliche Verpflichtung (z.B. Erbvorbezug) und ohne adäquate Gegenleistung (z.B. Schenkung) auf Einkünfte und Vermögen verzichtet worden ist. Eine Gegenleistung ist gleichwertig, wenn ihr Wert mindestens 90 Prozent des Wertes der Leistung entspricht. Ist die Gegenleistung nicht gleichwertig, entspricht die Höhe des Vermögensverzichts der Differenz zwischen Leistung und Gegenleistung.
Beispiel: Eine Liegenschaft wird zu Lebzeiten an die Kinder übertragen. Die Kinder übernehmen die Hypothek in Höhe von CHF 300’000.00. Der Verkehrswert der Liegenschaft beläuft sich auf CHF 700’000.00. Die Höhe des Vermögensverzichts entspricht somit in diesem Fall CHF 400’000.00.
Wie erfolgt die Anrechnung eines freiwilligen Einkommens- und Vermögensverzichts bei der Beurteilung, ob für Heim- und Pflegekosten ein Anspruch auf staatliche Unterstützungsleistungen besteht?
Reichen die Einkünfte und das Vermögen zur Tragung der Heimkosten nicht aus, wird geprüft, ob ein Anspruch auf Ergänzungsleistungen gemäss dem Bundesgesetz über Ergänzungsleistungen zur Alters-, Hinterlassenen oder Invalidenversicherung besteht. Dabei werden die erfolgten Vermögens- bzw. Einkommensverzichte (z.B. bereits gewährte Erbvorbezüge, Schulderlasse und Schenkungen) dem Einkommen bzw. Vermögen der pflegebedürftigen Person angerechnet. Insbesondere zu beachten ist, dass Einkommens- bzw. Vermögensverzichte unverjährbar sind, d.h. es werden der pflegebedürftigen Person auch Verzichte, die viele Jahre zurückliegen, als hypothetisches Vermögen oder Einkommen angerechnet. Immerhin werden ab dem 2. Jahr seit dem Verzicht jährlich CHF 10’000.00 abgezogen. Wurde somit z.B. im Jahr 2008 eine Schenkung von CHF 100’000.00 ausgerichtet, wird der pflegebedürftigen Person im Jahr 2020, vorbehältlich anderer Einkommens- bzw. Vermögensverzichte, von dieser Schenkung nichts mehr als hypothetisches Vermögen angerechnet.
Was sind die Folgen der Anrechnung eines freiwilligen Einkommens- und Vermögensverzichts?
Haben somit die Verzichtenden aufgrund des neu berechneten hypothetischen Einkommens bzw. Vermögens keinen Anspruch auf Ergänzungsleistungen, bleibt ihnen nur der Gang zum Sozialamt. Bevor dieses jedoch Leistungen erbringt, prüft es die Verwandtenunterstützungspflicht. Wer nämlich in günstigen Verhältnissen lebt, ist gemäss Art. 328 Abs. 1 ZGB verpflichtet, Verwandte in auf- und absteigender Linie zu unterstützen, die ohne diesen Beistand in Not geraten würden. Hierbei lebt nur in günstigen Verhältnissen, wer auch diejenigen Ausgaben tätigen kann, die weder notwendig noch nützlich zu sein brauchen, zur Führung eines gehobenen Lebensstils jedoch anfallen.
Als grobe, aber unverbindliche Richtschnur für Behörden und Gerichten gelten die SKOS-Richtlinien (Schweizerische Konferenz für Sozialhilfe). Diese schlagen eine Prüfung der Beitragsfähigkeit durch die Sozialhilfeorgane vor, wenn die Verwandten ein steuerbares Einkommen (inkl. Vermögensverzehr) von CHF 120’000 (Alleinstehende) beziehungsweise CHF 180’000 (Verheiratete) erzielen, wobei ein Zuschlag von CHF 20’400 pro Kind in Ausbildung zu machen ist. Beim Vermögensverzehr empfehlen die SKOS-Richtlinien vorab folgende Freibeträge vom steuerbaren Vermögen abzuziehen:
− Ehepaar: CHF 500’000.00
− Alleinstehende: CHF 250’000.00
− Zuschlag pro Kind in Ausbildung: CHF 40’000.00
Der verbleibende Vermögensbetrag soll dann aufgrund der durchschnittlichen Lebenserwartung umgerechnet (Jahresbetrag) und zum Einkommen gezählt werden.
Beispiel: Die Mutter gewährte ihrem 35-jährigen unverheirateten Sohn einen Erbvorbezug im Umfang von CHF 500’000.00. Nun wird sie pflegebedürftig und kann für die Heimkosten nicht selbst aufkommen. Aufgrund der gewährten Erbvorbezüge (Vermögensverzicht) hat sie keinen Anspruch auf Ergänzungsleistungen. Der Sohn hat ein steuerbares Einkommen von CHF 110’000.00 sowie ein steuerbares Vermögen von CHF 750’000.00 (inkl. Erbvorbezug). Von seinem gesamten Vermögen ist der Freibetrag von CHF 250’000.00 abzuziehen. Bei den übrigen CHF 500’000.00 ist der jährliche Vermögensverzehr zu berechnen und dem Einkommen hinzuzurechnen. Die Richtlinien für die Ausgestaltung und Bemessung der Sozialhilfe der SKOS empfehlen für 31 bis 40-jährige Unterstützungspflichtige einen Vermögensverzehr von 1/50 pro Jahr. Daraus resultiert ein Verzehr in Höhe von CHF 10’000.00, welcher dem Einkommen zuzurechnen ist. Das steuerbare Einkommen beläuft sich nun somit auf CHF 120’000.00, womit der Sohn vorliegend verwandtenunterstützungspflichtig wäre.
Wie ist vorzugehen, um einem Vermögensverzehr für Heim- und Pflegekosten vorzubeugen?
Gewähren die Eltern den Kindern Erbvorbezüge, Schenkungen oder wird ihnen eine Liegenschaft zu Lebzeiten übertragen, können die Kinder später im Rahmen der Verwandtenunterstützungspflicht in die Verantwortung genommen werden. Eine frühzeitige Nachlassplanung ist somit insbesondere bei der lebzeitigen Übertragung von Vermögen an die Nachkommen unentbehrlich. Zusätzlich empfiehlt es sich, das Vermögen im Rahmen von in Ehe- und Erbverträgen zu vereinbarenden Rückfallklauseln, insb. der sogenannten Demenzklausel, vor einem fast vollumfänglichen Vermögensverzehr für Heim- und Pflegekosten zu schützen.
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© PETERER Rechtsanwälte Notare AG, Februar 2022