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Die Rechte von Minderheitsaktionären
Mit Einführung des revidierten Aktienrechts per 1. Januar 2023 wurden auch die Rechte von Minderheitsaktionären sowohl von börsenkotierten als auch nicht börsenkotierten Gesellschaften ausgebaut und gestärkt. Der vorliegende Beitrag gibt einen Überblick über diese Rechte von Minderheitsaktionären im Falle von nicht börsenkotierten Gesellschaften.
Die Schwellen des Aktienrechts
Das Aktienrecht statuiert für die Ausübung der (Minderheiten-)Rechte unterschiedliche Schwellenwerte. Bei nicht börsenkotierten Gesellschaften liegen die beiden relevanten Schwellenwerte bei 5% bzw. 10% des Aktienkapitals oder der Stimmen.
Einsichtsrecht
Aktionäre, die einzeln oder zusammen mindestens 5% des Aktienkapitals oder der Stimmen vertreten, können Einsicht in die Geschäftsbücher und die Akten der Gesellschaft verlangen (Art. 697a Abs. 1 OR). Dies soll den Aktionären ermöglichen, ihre Aktionärsrechte ausreichend informiert ausüben zu können. Dementsprechend kann sich die Einsicht z.B. auf das Antrags- und Stimmrecht in der Generalversammlung, das Recht auf Durchführung einer Sonderuntersuchung oder auch das Recht auf Veräusserung der Aktien beziehen. Aktionäre einer nicht kotierten Gesellschaft können somit etwa Einsicht in Akten verlangen, die sich auf die Bestimmung des wirklichen Wertes der Aktien beziehen, wie z.B. Akten, welche die wirtschaftliche oder finanzielle Lage betreffen. Die Gesellschaft muss die Einsicht gewähren, soweit sie für die Ausübung der Aktionärsrechte erforderlich ist und keine Geschäftsgeheimnisse oder anderen schutzwürdigen Interessen der Gesellschaft gefährdet werden. Verweigert die Gesellschaft die Einsicht, so muss sie dies schriftlich begründen.
Traktandierungs- und Antragsrecht
Ebenfalls an die Schwelle von 5% des Aktienkapitals oder der Stimmen knüpfen die Rechte an, die Traktandierung von Verhandlungsgegenständen (Art. 699b Abs. 1 Ziff. 2 OR) bzw. die Aufnahme von Anträgen zu Verhandlungsgegenständen in die Einberufung der Generalversammlung (Art. 699b Abs. 2 OR) zu verlangen. In beiden Fällen können die Aktionäre eine kurze Begründung einreichen, welche von der Gesellschaft in die Einberufung der Generalversammlung aufgenommen werden muss. Aktionäre können z.B. die Abwahl eines Verwaltungsrates traktandieren oder den Antrag auf eine höhere Dividendenausschüttung stellen. Falls der Verwaltungsrat den Aktionärsbegehren nicht nachkommt, können die betroffenen Aktionäre ihren Anspruch gerichtlich durchsetzen (Art. 699b Abs. 4 OR).
Einberufungsrecht
Mindestens 10% des Aktienkapitals oder der Stimmen sind hingegen notwendig für einen Antrag auf Einberufung einer Generalversammlung [MP3] [PF4] (Art. 699 Abs. 3 Ziff. 2 OR). Die berechtigten Aktionäre müssen die Einberufung der Generalversammlung schriftlich beim Verwaltungsrat der Gesellschaft verlangen. Die Verhandlungsgegenstände sowie die Anträge müssen dabei im Begehren an den Verwaltungsrat enthalten sein. Weigert sich der Verwaltungsrat, dem Begehren auf Einberufung einer Generalversammlung stattzugeben, so können die betroffenen Aktionäre ihren Anspruch gerichtlich durchsetzen (Art. 699 Abs. 5 OR).
Auskunftsrecht
Während einer Generalversammlung hat jeder Aktionär – unabhängig von seiner Beteiligung an der Gesellschaft – das Recht, vom Verwaltungsrat Auskunft über die Angelegenheiten der Gesellschaft zu verlangen (Art. 697 Abs. 1 OR). Mit der Revision des Aktienrechts wurde ein neues Minderheitenrecht für Aktionäre, die einzeln oder zusammen mindestens 10% des Aktienkapitals oder der Stimmen vertreten, eingeführt: Das Auskunftsrecht ausserhalb der Generalversammlung (Art. 697 Abs. 2 OR). Demnach können Aktionäre von nicht börsenkotierten Gesellschaften vom Verwaltungsrat schriftlich Auskunft über die Angelegenheiten der Gesellschaft verlangen, wobei der Verwaltungsrat die Auskunft innert vier Monaten zu erteilen hat. Damit die Gleichbehandlung aller Aktionäre gewährleistet ist, sind die Antworten des Verwaltungsrats zudem spätestens an der nächsten Generalversammlung zur Einsicht auch für die übrigen Aktionäre aufzulegen. Gleich wie beim Einsichtsrecht, ist das Auskunftsrecht zu gewähren, soweit es für die Ausübung der Aktionärsrechte erforderlich ist und dem keine Geschäftsgeheimnisse oder andere schutzwürdigen Interessen der Gesellschaft entgegenstehen.
Recht auf Einleitung einer Sonderuntersuchung
Jeder Aktionär, der das Recht auf Auskunft oder Einsicht bereits ausgeübt hat, kann der Generalversammlung beantragen, bestimmte Sachverhalte durch unabhängige Sachverständige untersuchen zu lassen, sofern dies zur Ausübung der Aktionärsrechte, insbesondere zur Einleitung von (Verantwortlichkeits-)Klagen, erforderlich ist (sogenannte Sonderuntersuchung, Art. 697c Abs. 1 OR). Sollte die Generalversammlung den Antrag auf Einleitung einer Sonderuntersuchung ablehnen, so können Aktionäre, die einzeln oder zusammen mindestens 10% des Aktienkapitals oder der Stimmen vertreten, vom Gericht die Anordnung einer Sonderuntersuchung verlangen (Art. 697d Abs. 1 Ziff. 2 OR). Das Begehren auf Anordnung einer Sonderuntersuchung kann sich dabei auf alle Fragen erstrecken, die Gegenstand des Begehrens um Auskunft oder Einsicht waren oder die in der Beratung des Antrags auf Durchführung einer Sonderuntersuchung in der Generalversammlung angesprochen wurden, soweit ihre Beantwortung für die Ausübung der Aktionärsrechte erforderlich ist. Das Gericht ordnet die Sonderuntersuchung an, wenn die Aktionäre glaubhaft machen, dass Organe Gesetz oder Statuten verletzt haben und die Verletzung geeignet ist, die Gesellschaft oder die Aktionäre zu schädigen.
Praktische Bedeutung
Das Gesetz stellt Minderheitsaktionären gewisse Instrumente zur Verfügung, welche es ihnen ermöglichen, ihr Informationsbedürfnis in Bezug auf Angelegenheiten der Gesellschaft zu befriedigen – und dies auch ausserhalb der Generalversammlung. Das Gesetz unterscheidet dabei zwischen verschiedenen Stufen, mit unterschiedlicher Eingriffsstärke – von der Auskunft durch den Verwaltungsrat bis hin zur unabhängigen Sonderuntersuchung. Die Minderheitenrechte sind insbesondere dann hilfreich, wenn die Gesellschaft von einem Mehrheitsaktionär beherrscht wird, der auch die operative Leitung der Gesellschaft übernimmt und dadurch einen erheblichen Einfluss auf den Geschäftsgang ausüben kann. In solchen Konstellationen können die gesetzlichen Minderheitenrechte nämlich disziplinierende Wirkung auf Mehrheitsaktionäre haben.
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© PETERER Rechtsanwälte Notare AG, April 2024