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Die Aufklärungspflicht des Arztes
Das Bundesgericht hat am 13. Dezember 2022 ein interessantes Urteil zur Aufklärungspflicht des Arztes erlassen (BGer 4A_315/2022), welches als Anlass genommen werden soll, um die Thematik der Aufklärungspflicht bei medizinischen Eingriffen näher zu beleuchten.
Das Vertragsverhältnis zwischen Arzt und Patient
Das privatrechtliche Vertragsverhältnis zwischen Arzt und Patient unterliegt dem Auftragsrecht gemäss Art. 394 ff. des Schweizerischen Obligationenrechts. Die Folge dieser rechtlichen Qualifikation des Vertragsverhältnisses ist, dass der Arzt dem Patienten keinen Heilungserfolg, sondern lediglich – aber immerhin – ein auf den Heilungserfolg gerichtetes Tätigwerden nach den Regeln der ärztlichen Kunst schuldet. Dass der Heilungserfolg nicht eintritt oder dass sich der Gesundheitszustand des Patienten unter Umständen durch den medizinischen Eingriff sogar noch verschlechtert (zum Beispiel durch die Verwirklichung von mit dem medizinischen Eingriff verbundenen Risiken) führt nicht automatisch zu einer Vertragsverletzung durch den behandelnden Arzt. Vielmehr muss der Arzt eine Sorgfaltspflichtverletzung begangen haben, was bedeutet, dass die Behandlung bzw. der medizinische Eingriff nicht nach den Regeln der ärztlichen Kunst ausgeführt wurde.
Die vertragliche Aufklärungspflicht des Arztes
Zur Sorgfaltspflicht des Arztes gehört auch die korrekte Aufklärung des Patienten über die Diagnose, die Behandlungsmethode und -aussichten, Alternativen zur vorgeschlagenen Behandlung, die Risiken eines medizinischen Eingriffs, die Heilungschancen sowie die finanziellen Aspekte der Behandlung. Klärt der Arzt den Patienten zum Beispiel nicht korrekt über die Risiken eines medizinischen Eingriffs auf und verwirklicht sich eines dieser Risiken im Rahmen des nachfolgenden medizinischen Eingriffs, dann haftet der behandelnde Arzt für alle aus dem Eingriff resultierenden Schäden, auch wenn der Eingriff aus medizinscher Sicht korrekt durchgeführt wurde (mit anderen Worten keine Sorgfaltspflichtverletzung auf Seiten des Arztes vorliegt). Die Aufklärungspflicht ist demnach für den Arzt von zentraler Bedeutung und ihr muss im Rahmen der Behandlung entsprechende Beachtung geschenkt werden.
Die Aufklärung des Patienten muss klar, angemessen und verständlich erfolgen, ist aber an keine Form gebunden, weshalb der Arzt den Patienten auch mündlich über die vorerwähnten Punkte aufklären kann. Eine mündliche Aufklärung ist in der Praxis jedoch nicht zu empfehlen, da im Streitfall der Nachweis der Aufklärung oft nicht gelingen dürfte. Es obliegt nämlich dem Arzt zu beweisen, dass er den Patienten ausreichend aufgeklärt und dieser in die Behandlung eingewilligt hat. Schriftlichkeit der Aufklärung wird auch von ärztlichen Standesorganisationen empfohlen (vgl. zum Beispiel die Richtlinien des Verbands der invasiv und akutmedizinisch tätigen Spezialärztinnen und -ärzte FMCH für die Patienten-Aufklärung). Die Aufklärung hat sich grundsätzlich am individuellen Patienten, dessen medizinischen Vorkenntnissen und intellektuellen Fähigkeiten zu orientieren und hat umso detaillierter zu sein, je schwerer der medizinische Eingriff ist. Der Patient muss anhand der Aufklärung in der Lage sein, die Schwere des medizinischen Eingriffs und die damit verbundenen Risiken zu verstehen, damit er eine informierte Entscheidung treffen kann. Dabei ist der Patient nicht nur über regelmässig auftretende Risiken aufzuklären, sondern auch über solche, die sich nur selten verwirklichen – dies insbesondere dann, wenn es sich um schwerwiegende Risiken handelt, die zu einer ernsthaften körperlichen Beeinträchtigung führen können. Darüber hinaus muss der Arzt dem Patienten genug Zeit geben, um sich eine Meinung über den medizinischen Eingriff bilden zu können, ohne dass er unter zeitlichem Druck steht.
Das vertragliche Verhältnis zwischen Arzt und Patient sowie die korrekte Behandlung ist nicht nur aus medizinischer, sondern auch aus rechtlicher Sicht anspruchsvoll. PETERER Rechtsanwälte Notare AG unterstützt und berät sowohl Ärztinnen und Ärzte als auch Patientinnen und Patienten im Bereich der Arzthaftung, für den Fall, dass Ansprüche wegen behaupteter ärztlicher Sorgfaltspflichtverletzung im Raum stehen.
© PETERER Rechtsanwälte Notare AG, September 2023