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Apps als Medizinprodukte
Apps sind aus unserem digitalen Alltag nicht mehr wegzudenken, so auch im Bereich Sport, Medizin und Gesundheit. Der Schrittzähler soll uns motivieren mehr zu laufen, das digitale Kochbuch macht uns gesunde Menuvorschläge und der Rechner für Infusionsdosierungen soll den Medizinalpersonen das tägliche Leben erleichtern. Viele dieser Apps sind aus rechtlicher Sicht unproblematisch und können ohne weiteres vertrieben werden. Ist eine App jedoch für die medizinische Verwendung gedacht, dann bewegt sich der Hersteller wahrscheinlich im Kreise der Medizinprodukte und hat eine Reihe von rechtlichen Anforderungen zu erfüllen.
Wann qualifiziert eine App als Medizinprodukt?
Gemäss Art. 3 Abs. 1 der Medizinprodukteverordnung gelten als Medizinprodukte Instrumente, Apparate, Geräte, Software, Implantate, Reagenzien, Materialien oder andere Gegenstände, (i) die dem Hersteller zufolge für Menschen bestimmt sind, (ii) deren bestimmungsgemässe Hauptwirkung im oder am menschlichen Körper weder durch pharmakologische oder immunologische Mittel noch metabolisch erreicht wird und (iii) die einen medizinischen Zweck erfüllen. Als medizinische Zwecke gelten unter anderem (i) Diagnose, Verhütung, Überwachung, Vorhersage, Prognose, Behandlung oder Linderung von Krankheiten, (ii) Diagnose, Überwachung, Behandlung, Linderung von oder Kompensierung von Verletzungen oder Behinderungen, sowie (iii) Untersuchung, Ersatz oder Veränderung der Anatomie oder eines physiologischen oder pathologischen Vorgangs oder Zustands.
Eine App muss daher unter den vorerwähnten Gesichtspunkten geprüft werden, um entscheiden zu können, ob es sich dabei um ein Medizinprodukt handelt oder nicht. Entscheidend ist grundsätzlich die medizinische Zweckerfüllung. Dient die App zum Beispiel der Diagnose oder Überwachung einer Krankheit oder der Untersuchung der Anatomie, dann qualifiziert die App als Medizinprodukt. So qualifizieren zum Beispiel Dosierungsrechner oder Apps, welche es ermöglichen, patientenspezifische (z.B. anatomische) Bilder zu betrachten, als Medizinprodukte. Hingegen sind Apps, welche die administrative Verwaltung von Arztpraxen erleichtern oder die allgemeines medizinisches Wissen vermitteln, grundsätzlich nicht als Medizinprodukte zu qualifizieren. Entscheidend ist immer der Einzelfall und die Qualifikation hat anhand aller Funktionen der in Frage stehenden App zu erfolgen. Die Schwelle zum Medizinprodukt kann unter Umständen auch schleichend überschritten werden, zum Beispiel mit zusätzlichen Funktionen, die später hinzugefügt werden.
Was sind die Folgen einer Qualifikation als Medizinprodukt?
Medizinprodukte unterliegen strengen regulatorischen Anforderungen. Wer ein Medizinprodukt in Verkehr bringt, muss nachweisen können, dass dieses das entsprechende Konformitätsbewertungsverfahren durchlaufen hat und den grundlegenden Anforderungen, wie vom Gesetz festgelegt, entspricht. Darüber hinaus muss die Produktinformation den gesetzlichen Voraussetzungen entsprechen und der Hersteller hat ein Produktbeobachtungssystem zu unterhalten, damit sichergestellt ist, dass Gefahren, die vom Produkt ausgehen, erkannt und abgewendet werden können. Ausserdem müssen schwerwiegende Vorkommnisse – wie z.B. der Tod eines Patienten oder die Verschlechterung seines Gesundheitszustandes – die bei der Verwendung des Medizinprodukts auftreten, an die Behörde – in der Schweiz ist dies die Swissmedic als Schweizerische Zulassungs- und Aufsichtsbehörde für Arzneimittel und Medizinprodukte – gemeldet werden. Diese Anforderungen und die für die Einhaltung notwendigen Schritte sind sowohl aus zeitlicher als auch finanzieller Sicht nicht zu unterschätzen. Es ist deshalb aus kommerzieller Sicht entscheidend, dass im Prozess der App-Entwicklung bewusst ein Entscheid getroffen wird, ob die App als Medizinprodukt oder Lifestyle-App in Verkehr gebracht werden soll – was unter Umständen dazu führen kann, dass gewisse Funktionen allenfalls nicht umgesetzt werden können, falls es sich um eine Lifestyle-App handeln soll.
PETERER Rechtsanwälte Notare AG unterstützt und berät Unternehmen bei der Entwicklung von Apps und anderen Softwareanwendungen, um diese aus rechtlicher Sicht in die richtigen Bahnen zu lenken und die Einhaltung der regulatorischen Anforderungen sicherzustellen.
© PETERER Rechtsanwälte Notare AG, September 2023