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Aktienrechtsrevision – Überblick über die wichtigsten Änderungen per 1. Januar 2023
Am 1. Januar 2023 trat die umfassende Revision zum Aktienrecht in Kraft. Nachfolgend gehen wir auf die aus unserer Sicht wichtigsten Neuerungen gegenüber dem alten Recht ein, damit Unternehmen wissen, welche neuen Möglichkeiten ihnen offenstehen und welcher allfällige Handlungsbedarf für sie besteht.
Aktienkapital kann neu auch in bestimmten Fremdwährungen ausgegeben werden
Nach dem neuen Aktienrecht dürfen Gesellschaften – Aktiengesellschaften und Gesellschaften mit beschränkter Haftung (GmbHs) – ihr Aktien- bzw. Stammkapital in der für ihre Geschäftstätigkeit wesentlichen ausländischen Währung ausgeben. Das Aktien- bzw. Stammkapital muss aber auch hier einem Gegenwert von CHF 100’000 bzw. CHF 20’000 im Zeitpunkt der Errichtung der Gesellschaft entsprechen. Momentan sind laut Bundesrat vier ausländische Währungen zulässig, nämlich Euro, Japanische Yen, US-Dollar und britische Pfund (Art. 621 und Art. 773 OR sowie Anhang 3 HRegV).
Will eine Gesellschaft die bestehende Währung für ihr Aktienkapital wechseln, kann sie das mittels qualifiziertem General- bzw. Gesellschafterversammlungsbeschluss und Statutenänderung umsetzen, wobei eine öffentliche Beurkundung notwendig ist.
Mindestnennwert einer Aktie und eines Stammanteils sinkt
Die bestehenden Mindestnennwerte für Aktien von 1 Rappen und Stammanteilen von 100 CHF werden aufgehoben. Neu ist einzig vorausgesetzt, dass der Nennwert grösser als null ist. Damit gewinnen Aktiengesellschaften, aber vor allem auch GmbHs, an Flexibilität in Bezug auf ihre Eigenkapitalstruktur, zumal die Handelbarkeit durch das unbegrenzte Splitting erhöht wird. Bei bestehenden Gesellschaften ist für die Anpassung des Nennwerts ein Generalversammlungs- bzw. Gesellschafterversammlungsbeschluss und eine Statutenänderung notwendig (Art. 622 Abs. 4 und Art. 774 OR).
Aufhebung der Bestimmungen über die Sachübernahme
Die (beabsichtigte) Sachübernahme, also Fälle, in denen Vermögenswerte im Rahmen einer Gründung oder Kapitalerhöhung von Personen, die der Gesellschaft nahestehen, übernommen werden sollen oder die neu gegründete Gesellschaft beabsichtigt, solche Vermögenswerte zu übernehmen, wird unter dem neuen Aktienrecht nicht mehr als qualifizierter Tatbestand gelten. Somit entfallen sowohl bei der Gründung wie auch bei der Kapitalerhöhung die erhöhten Erfordernisse wie Gründungs-/Kapitalerhöhungsbericht und Prüfungsbestätigung. Ebenso entfällt die Offenlegung der Vermögenswerte in den Statuten und im Handelsregister. Damit fallen geringere Kosten bei den Gründungen mit (beabsichtigter) Sachübernahme an. Nichtsdestotrotz haben Verwaltungsräte bzw. die Geschäftsführung bei solchen Geschäften Vorsicht walten zu lassen, um sich keinem Haftungsrisiko auszusetzen.
Einführung des Kapitalbands als neues Instrument
Seit dem 1. Januar 2023 kann der Verwaltungsrat der Aktiengesellschaft ermächtigt werden, während einer Dauer von fünf Jahren das Aktienkapital innerhalb einer Bandbreite bzw. eines Kapitalbands zu verändern bzw. zu erhöhen oder herabzusetzen. Die obere Grenze des Kapitalbands liegt dabei bei höchstens 50 % mehr als dem im Handelsregister eingetragenen Aktienkapital, währenddessen die untere Grenze bei höchstens 50 % weniger als dem im Handelsregister eingetragenen Aktienkapital liegt. Auch mit dem Kapitalband darf aber das vorgeschriebene Mindestkapital von CHF 100’000 nicht unterschritten werden (Art. 653s–653v OR).
Die Einführung eines Kapitalbands unterliegt einem qualifizierten Beschluss der Generalversammlung und erfordert eine statutarische Grundlage, die die Grundzüge des Kapitalbands festlegen, wobei eine Herabsetzung des Aktienkapitals möglich ist, wenn die Gesellschaft nicht auf die eingeschränkte Revision der Jahresrechnung verzichtet hat. Bei GmbHs wurde auf die Einführung des Instruments des Kapitalbands verzichtet. Dieses Instrument steht somit nur Aktiengesellschaften zu.
Möglichkeit der Ausschüttung einer Zwischendividende
Unter altem Recht war die Ausschüttung einer Zwischendividende umstritten. Neu wurde hierfür explizit eine gesetzliche Grundlage geschaffen, die es der Generalversammlung erlaubt, gestützt auf einen Zwischenabschluss eine Zwischendividende zu beschliessen. In der Regel muss hier vor dem Generalversammlungsbeschluss der Zwischenabschluss durch die Revisionsstelle geprüft werden. Unterliegt die Gesellschaft aber keiner eingeschränkten Revision oder haben sämtliche Aktionäre zugestimmt und sind die Forderungen der Gläubiger nicht gefährdet, kann auf eine Prüfung verzichtet werden (Art. 675a und Art. 798 OR).
Flexibilisierung der Bestimmungen zur Generalversammlung bzw. Gesellschafterversammlung
Im Bereich der General- bzw. Gesellschafterversammlung sieht das neue Aktienrecht zahlreiche Neuerungen vor, wobei ein besonderer Schwerpunkt auf die Digitalisierung der Generalversammlung gelegt wird. So ist neuerdings die rein virtuelle General- bzw. Gesellschafterverssammlung oder auch die Beschlussfassung auf dem (elektronischen) Zirkularweg zulässig. Ebenso kann neu auch eine General- bzw. Gesellschafterversammlung im Ausland vorgesehen werden, sofern hierfür eine statutarische Grundlage besteht. Für nähere Ausführungen hierzu verweisen wir auf unseren Blogbeitrag zu den Neuerungen im Bereich der Generalversammlung (Art. 701b ff. und Art. 805 Abs. 5 OR).
Möglichkeit einer statutarischen Schiedsklausel
Gesellschaften (darunter Aktiengesellschaften, Kommanditaktiengesellschaften sowie GmbHs) dürfen unter dem neuen Aktienrecht für gesellschaftsrechtliche Streitigkeiten die Zuständigkeit eines Schiedsgerichts mit Sitz in der Schweiz vorsehen. In einem möglichen Schiedsverfahren gelten die auf Binnenschiedsverfahren anwendbaren Bestimmungen des 3. Teils der schweizerischen Zivilprozessordnung (Art. 353–399 ZPO), wobei das zwölfte Kapitel des Bundesgesetzes über das internationale Privatrecht (IPRG) explizit nicht anwendbar ist. Für nähere Ausführungen hierzu, insbesondere zur Ausgestaltung und den Vorteilen verweisen wir auf unseren Blogbeitrag zur Möglichkeit einer statutarischen Schiedsklausel (Art. 697n und Art. 797a OR)
Fehlende Liquidität als Grund für Sanierungsmassnahmen
Die Überwachung der Liquidität und des Vermögens der Gesellschaft gehört zu den unübertragbaren und unentziehbaren Aufgaben des Verwaltungsrates einer Aktiengesellschaft. Unter dem neuen Aktienrecht hat der Verwaltungsrat nun die ausdrückliche Pflicht, bei drohender Zahlungsunfähigkeit Massnahmen zur Sicherstellung der Zahlungsfähigkeit zu ergreifen. Allenfalls hat der Verwaltungsrat gar Massnahmen zur Sanierung der Gesellschaft zu ergreifen, muss solche Massnahmen bei der Generalversammlung beantragen oder reicht ein Gesuch um Nachlassstundung ein. Dabei hat der Verwaltungsrat je nach Faktenlage so schnell wie möglich zu handeln (Art. 725 und Art. 820 OR).
Was sollten Sie nun tun?
Seit Inkrafttreten des revidierten Aktienrechts am 1. Januar 2023 bestehen eine Vielzahl an neuen Möglichkeiten für Aktiengesellschaften aber auch für GmbHs. Der Verwaltungsrat bzw. die Geschäftsführung sollte sich deshalb Gedanken darüber machen, ob sie von diesen Möglichkeiten Gebrauch machen möchte. Gewisse Neuerungen, wie unter anderem die Einführung eines geringeren Nennwertes, der Währungswechsel des Aktienkapitals, das Kapitalband, die statutarische Schiedsklausel oder auch die Durchführung einer virtuellen General- bzw. Gesellschafterversammlung erfordern aber zwingend Gesellschafter- bzw. Generalversammlungsbeschlüsse sowie Statutenänderungen und müssen gar öffentlich beurkundet werden. Für nach neuem Recht nicht mehr zulässige Statutenbestimmungen haben Unternehmen zwei Jahre Zeit, um diese anzupassen, andernfalls werden diese ungültig.
PETERER Rechtsanwälte Notare AG unterstützt und berät Sie zu den Möglichkeiten unter dem neuen Aktienrecht und prüft, erstellt und beurkundet für Sie die entsprechenden Dokumente und Urkunden, um diese in ihrem Unternehmen umzusetzen.
© PETERER Rechtsanwälte Notare AG, Dezember 2023